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Pastoralraum Muri AG und Umgebung
News Pastoralraum
News Vom 20. März 2025

Fasten: Warten auf nichts

Man isst. Jeden Tag. Man trinkt. Jeden Tag. Man redet, arbeitet, schaut, hört. Jeden Tag. Und dann fastet man. Warum? Weil es eine Zeit dafür gibt. Weil es eine Tradition gibt. Oder einfach, weil man wissen will, was passiert, wenn man nicht isst, wenn man nicht trinkt, wenn man nicht redet. Wenn man weniger tut. Wenn man wartet.

Früher fastete man, weil es nicht anders ging. Der Winter war lang, der Frühling kam spät. Die Vorräte wurden knapp. Man hatte keine Wahl. Dann sagte die Kirche: Es ist Fastenzeit. Vierzig Tage. Wie Jesus in der Wüste. Keine Ablenkung. Nur Sand, nur Wind, nur Stille. Und Hunger. Und Stimmen, die sagen: "Nimm dir, was du brauchst!" Aber Jesus nimmt nichts. Er wartet. Warten auf nichts.

Fasten ist nicht Hungern. Fasten ist ein Raum. Ein Raum, in dem das Leben stillsteht. Oder weitergeht, aber langsamer. Ohne das Übliche. Ohne das Viele. Nur das Nötigste. Oder weniger als das. Und dann sieht man, was bleibt.

Am Anfang fehlt etwas. Das Brot, der Kaffee, der Wein. Das Sprechen. Die Ablenkung. Dann kommt die Stille. Erst unangenehm. Dann anders. Eine Stille, die nicht leer ist. Eine, die alles offenlässt. Die nichts fordert. Eine, die nicht sagt: Du musst. Sondern eine, die fragt: Was brauchst du wirklich?

Man merkt: Der Körper wird leichter. Das Denken wird anders. Man schmeckt bewusster, hört genauer. Der Raum ist weiter. Die Zeit ist anders. Und irgendwann, nach einigen Tagen, wenn man wieder isst, ist es wie neu. Ein Stück Brot. Ein Glas Wasser. Ein Wort. Das Einfachste ist plötzlich genug. Vielleicht mehr als genug.

Aber es ist nicht nur das Essen. Es ist vor allem auch das Reden. Die Gedanken. Die Dinge, die man immer tut, ohne nachzudenken. Man lässt etwas weg, und plötzlich ist da ein Loch. Eine Lücke. Ein offener Raum. Und dieser Raum fragt: Was ist nötig? Was ist überflüssig? Was ist Gewohnheit, und was ist Leben?

Fasten ist nicht das Ende von etwas. Fasten ist der Raum dazwischen. Fasten ist das Warten auf nichts. Und die Entdeckung, dass ‘nichts’ manchmal genug ist. Dass in diesem ‘Nichts’ etwas geschieht. Etwas, das man nicht machen kann, sondern das einfach kommt, das sich schenkt: Die stille Gegenwart Gottes. Aber nicht so, wie ich es erwarte. Nicht mit Posaunen und Zeichen. Sondern still. Ein Himmel, der sich nicht aufdrängt, sondern sich dort zeigt, wo auch Raum für ihn gelassen wird.

Vielleicht ist Fasten eine Übung im Warten. Eine Übung darin, Dinge sein zu lassen, ohne sie sofort zu ersetzen. Eine Übung darin, das Leben nicht vollzupacken, sondern ihm Platz zu lassen. Platz für das Unerwartete. Platz für das, was man nicht kontrollieren kann. Platz für eine Stille, die nicht Leere ist, sondern ein Raum, in dem etwas entstehen kann.

Ich wünsche Ihnen eine solche Zeit, die Raum gibt. Eine, die nichts will, aber vieles zeigt. Eine Weite, die bleibt.

Diakon Karl Scholz, Pastoralraumleiter