Inflation gibt es nicht nur in der Wirtschaft. Auch die Sprache kennt den inflationären Gebrauch von Begriffen. Was zu oft in Umlauf gebracht wird, verliert seinen Wert. Wovon zu viel geredet wird, verliert seine Tiefe.
Wohl gemerkt, es ist nicht das Göttliche, das seine Tiefe verliert. Aber das Wort dieser Wirklichkeit verliert die Kraft, uns zurückzuwerfen, auf die grosse Weite des Himmels.
Ich habe es nicht gerne, wenn das Wort Gott so oft und vor allem so schnell verwendet wird. Es wird so belanglos, so gewöhnlich und so beiläufig dadurch.
Die jüdische Tradition liegt mir näher. Aus Respekt vor der Heiligkeit der letzten Wirklichkeit wird ihr Name niemals ausgesprochen, sondern nur umschrieben.
Wer könnte auch mit einem simplen Namen von der grossen Wirklichkeit sprechen. Buchstaben, Worte sind nur Finger, die auf den Mond zeigen. Niemals der Mond selbst. Es sind nur Etiketten, Schilder, Labels, nichts weiter.
«Gott sei Dank gibt es das nicht, was sich die meisten Menschen in ihren Begriffen, Bildern, Worten, unter Gott vorstellen», sagte schon der grosse Theologe Karl Rahner. Leider glauben wir schnell, wir müssten uns konkrete Vorstellungen machen, weil die Wirklichkeit weit entfernt sei und damit unsichtbar. Dabei müssten wir nur einfach lernen, ganz still zu werden. Wirklich still. So still, dass man den Augenblick greifen kann. Dass es keinen Unterschied mehr gibt, zwischen dem Schweigen und dem, der schweigt. So still, dass ich mit meinen Knochen spüre: Ich bin diese Stille – und diese Stille, die grösser ist als ich, ist das Schweigen Gottes selbst. Das ist kein Widerspruch und keine überhebliche Ketzerei, sondern ganz einfach das alles durchdringende, dankbare Dasein. Geheimnisvolle Gegenwart in allem. Grabesstille und Auferstehung im selben Moment.
Wenn es so ganz still wird, wenn kein Laut die Stille stören kann, erfährst Du, dass Du nicht leise sein musst, um in der Gegenwart Gottes zu atmen. Wenn Dein, wenn sein Schweigen dicht wird, dann hat plötzlich alles seinen stimmigen Platz. Dann fehlt nichts mehr und nichts ist mehr zu viel. Dann sitzt Du an der Kraftquelle Deines Lebens: Jetzt. Diese Quelle hat kein Ende. Sie ist immer dort, wo Du gerade bist, an jedem Ort der Welt: in Seiner Gegenwart.
Diakon Karl Scholz, Pastoralraumleiter